Das Leben spüren. Halleluja!

Sonntagmorgen sechs Uhr, unser Lichtwecker erinnert sanft: Thomas, du wolltest wandern. Ich drehe mich noch einmal um. Es wird regnen heute. Ist es nicht besser, den Tag mit meinem neuen Buch „Über Menschen“ von Juli Zeh zu verbringen? Zehn Minuten später überwinde ich mich. Zuerst einmal zwei Löffel Kaffee in den Filter unserer Moccamaster, einschalten. Der Anfang ist gemacht. Den Sonntagmorgen in Ruhe genießen. Dick Waldhonig aufs Butterbrot schmieren. Gute Lektüre. Gerade setzt der Regen ein. Noch einmal die Prüfung: Wirklich wandern?

Ja. Der Berg ruft. Um 7.12 Uhr sitze ich im Auto. Schneller als die Polizei erlaubt fliege ich nach Moosbronn. Mein Ziel heute: Der Bernstein.
7.37 Uhr. Der Regen prasselt aufs Autodach und schlägt den Takt zur entspannten Klaviermusik von Erik Satie. Wirklich aussteigen?

Bis ich den Regenschutz für mich und den Rucksack richtig in Position habe, bin ich nass. Egal, bin ja gleich im Wald. Dicht hängt der Nebel in den Bäumen. Zwei Meisen trällern ihr Morgenlied. Mein Herz schlägt, ich spüre das Leben und stapfe durch den vom Regen schmatzenden Waldboden. Vorbei an frisch geschlagenen, riesigen Tannen. Ich inhaliere den heilsamen Duft des Waldes. Das fröhlich lautstarke Livekonzert von Amsel, Drossel, Fink und Co. übertönt wohltuend das gleichförmige Klatschen des Regens.

Der schwarze Wald macht seinem Namen alle Ehre und zeigt seine ganze mystische Kraft. Es wird nicht gleich ein Wildschwein um die Ecke biegen. Auf dem historischen Grenzweg zwischen Baden und Württemberg pfeift der Wind scharf vom Murgtal her. Die Feuchtigkeit greift Raum, es tropft unaufhörlich von der Hutkrempe. Das Wasser läuft in flotten Rinnsalen an den hohen Tannen hinunter. Schon ziemlich klamm, sauge ich erst recht das pulsierende Leben auf. Das frische Grün um mich herum lässt mich lächeln, auch innerlich. Der Wald scheint zu jubilieren ob dieser Fülle an Wasser des Lebens.

Im Schutz der Wasenhütte beschließe ich, heute nicht den Bernstein zu erklimmen und meinen Weg abzukürzen. Ich schreite weit aus, um mit meiner Körperwärme die Feuchtigkeit ein wenig auszugleichen. Fühle tiefen Frieden, bin lebendig, ein Teil dessen, was mich um umfasst. Immer wieder atme ich tief ein, fülle meine Lungen mit der frischen Schwarzwaldluft.

Fast am Ziel, schenkt mir der offene Himmel einige Fitzelchen mehr Licht. Froh und dankbar werfe ich die nassen Sachen in den Kofferraum, stelle die Sitzheizung auf Stufe III und gondele heim zu meinen Lieben.

Und im Moment, da ich diese Zeilen schreibe, spielt mir Spotify das Hallelujah von „The Italian Tenors“ … 🙂

Haben Sie eine großartige Zeit!

Herzlichst
Ihr Thomas Kiefer

Fotonachweis:
Thomas Kiefer

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